Diese Korrespondenz aus Essen soll eine Anregung für den sozialistische Wettbewerb im Vertrieb unserer Neuerscheinung „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus“sein. Wie habt ihr Bücher verkauft, mit welchen Argumenten und was können alle daraus lernen? Welche Probleme treten noch auf und wie seid ihr bisher herangegangen? Wir freuen uns auf Zuschriften.
Bisher habe ich 14 Exemplare des neuen Buchs „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus“ in der Kleinarbeit, also am 1. Mai, an Infoständen und vor dem Betrieb, bei Protestaktionen und Kontaktbesuchen, verkauft. Dabei habe ich noch gar nicht alle Leute „abgeklappert“, denen ich das Buch anbieten möchte.
Gut, dass wir Anwürfe des Antikommunismus nicht links liegen lassen
Zunächst war für mich wichtig, selbst das Buch gut zu kennen. So kann man voller Überzeugung herangehen, dass es wirklich etwas für breite Teile der Bevölkerung ist. Man könnte ja auch meinen, ein philosophisches Werk würde erst einmal nicht so viele interessieren oder sei eher was für Leute, die sich mit Philosophie beschäftigen. Aber: die gesellschaftliche Verwirrung, die Perspektivlosigkeit, die der Antikommunismus schürt, die große Frage, was denn nach der weitverbreiteten Kapitalismuskritik als Alternative kommen soll, beschäftigt doch fast jeden. Außerdem hat die bürgerliche Ideologie, die ihren Schund massenhaft überall verbreitet (Verschwörungstheorien, Antikommunismus …) immerhin erreicht, dass diese Themen sehr verbreitet sind. Ein junger Verwandter war dankbar über das Buch, weil die Anwürfe des Antikommunismus genau das ist, was er viel im Internet liest. Er fand gut, dass wir uns damit auseinandersetzen und sie nicht einfach links liegen lassen. „Denn das ist ja nun mal das, was die Leute so über euch hören“.
„Wir brauchen Klarheit vom Standpunkt der Arbeiterklasse“
So spreche ich jeden auf das Buch an: „Die gesellschaftliche Verwirrung ist groß, wir brauchen Klarheit vom Standpunkt der Ideologie der Arbeiterklasse“, oder „jeder kritisiert den Kapitalismus, aber die Alternative dazu wird vom Antikommunismus diskreditiert, was ist deine Perspektive?“ Oder „Regierung und Monopole erzählen uns einen von Ideologiefreiheit. Das ist eine Lüge, bei der es nur drum geht, die Ideologie der Arbeiterklasse zu bekämpfen“.
Gut ist, wenn man relativ früh die Leute fragt, was sie zu diesem Thema meinen, denn dann erfährt man direkt was über ihre Meinung, Fragen, ihren Beruf, Vorbehalte, die sie noch haben usw. und kann zielgerichteter argumentieren. Ein älterer Markthändler, mit dem ich jede Woche über Politik diskutiere, bezeichnete sich plötzlich als unpolitisch! Ich konterte: „Unpolitisch gibt es nicht. Wenn wir nicht Arbeiterpolitik mit der Ideologie der Arbeiter machen, dann überlassen wir denen das Feld, die jetzt das Sagen haben.“ Schluss war es mit dem Unpolitischen. „o.k. – das mit der Verwirrung sehe ich ja auch – ich gucke mal rein, auch wenn ich sonst nicht so gerne Bücher lese.“ Beim nächsten Einkauf fand er die Einleitung „echt interessant“.
Bietet durch die Vielfalt seiner Abschnitte viele Ansatzpunkte
Auch bietet das Buch durch die Vielfalt seiner Abschnitte viele Ansatzpunkte, die man, je nachdem, wie die Diskussion verläuft oder was man aus früheren Auseinandersetzungen mit den jeweiligen Leuten kennt, ansprechen kann: So kaufte ein junger libanesischer Kollege am Infostand das Buch, auch weil ich über den Abschnitt berichtete, der die Lüge eines „linken Antisemitismus“ angreift.
Andere kauften vor allem wegen der Frage, welche Lehren wir aus dem Verrat am Sozialismus und der Erfahrung der großen roletarischen Kulturrevolution in China ziehen können, während die Herrschenden versuchen, den Sozialismus als gescheitert und den Kapitalismus als Ende der Geschichte darzustellen. Eine junge Frau interessierte sich vor allem für den Abschnitt über den reaktionär-faschistischen Antikommunismus von Donald Trump, weil sie empört ist, über dessen rassistische Politik: „Hier reden sie immer groß über den Mauerfall und der baut einfach eine neue Mauer nach Mexiko auf, ohne dass die Regierung sich hier darüber aufregt“. Auch sie kaufte das Buch.
Die konkreten Anliegen der Menschen werfen jede Menge grundsätzliche Fragen auf
Leute, die bereits revolutionär tätig und organisiert sind, zum Beispiel aus türkischen oder kurdischen Organisationen, kauften das Buch zum Teil auch einfach deshalb, weil Bücher der MLPD bzw. von Stefan Engel schon an sich ein Qualitätsmerkmal sind, das man einfach kennen muss. Auffällig ist, dass ich bisher kaum jemanden getroffen habe, der es unpassend fand, in dieser Situation und bei konkreten Anlässen ein solches Buch zu verkaufen. Auch bei einer Demonstration gegen Krankenhausschließungen, am Einsatz vor dem Betrieb, überall, merken die Leute, wie ihre konkreten Anliegen jede Menge grundsätzliche Fragen aufwerfen, die nach Antworten schreien. Insofern kann man bei jeder Gelegenheit, dieses Buch verkaufen, ohne unsicher zu sein, „ob das passt“ oder am Thema vorbei geht.
Zur gesellschaftlichen Verwirrung ist interessant, dass sehr viele zustimmen, dass es diese gibt, aber für sich selber in Anspruch nehmen, dem nicht aufzusitzen und schon sehr informiert zu sein. Insgesamt sind die Leute tatsächlich oft gut informiert und politisiert. Zugleich sind es eben die subtilen Formen der gesellschaftlichen Verwirrung wie die kleinbürgerlich-antikommunistische Denkweise, dass zwar der Kapitalismus schlecht ist, aber doch der Sozialismus auch nicht funktioniert habe, die subtile Wirkung der Ideologiefreiheit, dass man lieber neutral bleibe und sich nicht auf eine Seite schlagen will.
Oder auch nach dem Motto „Ich glaube gar nichts mehr, was sich in den Medien höre“, wie ein junger Kollege im Wohngebiet meinte. Das ist ein agnostizistischer Standpunkt, sprich, man könne die Welt nicht verstehen, erklären und auch verändern. Das ist möglich – aber nicht „neutral“ oder skeptisch, sondern nur mit einem klaren proletarischen Klassenstandpunkt.
Man muss also die Wirkung der im Buch behandelten weltanschaulichen Strömungen auffinden und sich dann kritisch- und selbstkritisch damit auseinandersetzen. Wenn man das mal richtig beim Namen nennt, kann man auch besser eine Entscheidung herausfordern: „Wir müssen aus den Fehlern im Aufbau des Sozialismus und seinem Verrat lernen. Aber vor allem werden die Errungenschaften des Sozialismus in dieser Gesellschaft komplett totgeschwiegen. Man darf sich nicht vor den Karren der Antikommunisten spannen lassen!“ Vor allem junge Leute sind interessiert an dem Buch, das polarisiert, eine Entscheidung herausfordert.
Es ist wichtig, dass in der Kleinarbeit zusammen in Lese- oder Studiengruppen gelesen und diskutiert wird, da sicherlich nicht für jeden der Stoff einfach zu verarbeiten ist, auch wenn das Buch gut verständlich geschrieben ist. Dazu können auch örtliche Veranstaltungen und Bildungsabende helfen. Noch zusätzlich habe ich einzelne Bücher an Journalisten oder Bündnispartner versendet mit Bitte um eine Rezension und Diskussion dazu.
Die gesellschaftliche Diskussion über das Buch vorantreiben
Es ist wichtig, dass die gesellschaftliche Diskussion über das Buch weiter getrieben wird! Auch Leute, die selbst von der kleinbürgerlich-antikommunistischen Denkweise in der einen oder anderen Variante stark beeinflusst sind, haben Interesse an dem Buch. Einer kaufte es sogar mit der Aussage, „ich sehe mich ja selbst als Antikommunisten, so bin ich eben in meiner Jugend geprägt worden …“ Das Buch hilft, die ideologische Quelle eigener Auffassungen und Vorbehalte zu verstehen. Zugleich haben aufgrund des fortschrittlichen Stimmungsumschwungs viele „zwei Seelen in ihrer Brust“, sind also selbst kritisch gegenüber dem reaktionären und faschistischen Antikommunismus, woran man ansetzen kann.
Artikel: rf-news.de