Aktuell gibt es noch bis zum 31. Oktober eine Austellung im Willi Dickhut Museum (Gelsenkirchen) zu dem Arbeitersportler und Kommunisten Werner Seelenbinder.
Werner Seelenbinder hat seine großen sportlichen Erfolge im Ringen auch genutzt, um gegen den Hitlerfaschismus zu kämpfen. Er hat überzeugt für eine bessere Gesellschaft, den Sozialismus, gekämpft und war immer standhaft. Deswegen war und ist er für viele Kinder und Jugendliche ein Vorbild!
Die Ausstellung zu ihm sollte man also unbedingt besuchen.
Alle Informationen zur Austellung
- Ort: Bistro im Kulturssaal der Horster Mitte, Schmalhorststraße 1, 45899 Gelsenkirchen-Horst
- Öffnungszeiten: Montag, Dienstag und Donnerstag 13 bis 15:00 Uhr, Mittwoch 15 bis 19:00 Uhr, Freitag ab 17:00 Uhr – und nach Vereinbarung
- Finissage als abendfüllende Abschlussveranstaltung: Freitag, 31. Oktober 18:00 Uhr (Saalöffnung 17:30 Uhr): mit Fingerfood, Vortrag von Professor Rump, Vorführungen von Kampfsportgruppen, antifaschistischen Liedern mit dem Ruhrchor.
- Der Eintritt ist jeweils frei. Um Spenden zur Finanzierung der Kosten wird gebeten. Eine Spendensammlungen bei der crowdfunding-Plattform betterplace ergab einschließlich Barspenden bisher fast 1400 €.
Interview mit Professor Rump
Professor Dr. Oliver Rump hat diese Ausstellung gemeinsam mit seinen Studenten an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin erstellt. Ein Genosse hat mit ihm ein Interview geführt und uns zur Verfügung gestellt.
Herr Professor Rump, mich interessiert besonders: Warum sollten Kinder und Jugendliche in Ihrer Ausstellung kommen?
Ich denke Kinder und Jugendliche suchen nach Orientierung und brauchen vielleicht auch ein Vorbild und wollen sehen, wie man in einer schwierigen Situation, die ja auch jetzt Kinder und Jugendliche durchaus empfinden, wie man da reagieren kann und was es für Möglichkeiten gibt.
Werner Seelenbinder lebte in der sehr schwierigen Zeit des Hitlerfaschismus und war seiner Sache immer selber treu. Das ist vielleicht eine Botschaft, die für Kinder und Jugendliche interessant ist.
Und Sport ist natürlich auch etwas sehr spannendes, wo man merkt, dass man mit dem Arbeitersport – heute heißt es oft ja nicht mehr Arbeitersport- wie man in gewissen Sportarten zur Gemeinschaft findet und über den Sport Gleichgesinnte kennenlernt und was erreichen kann.
Zu den Ausstellungen kommen auch viele junge Leute, das war heute auch schön. Wir machen in Berlin eine Gedenkveranstaltung am Grab. Und dort gibt es immer eine Vorführung mit jungen Menschen, die wissen, wer Werner Seelenbinder ist und in seinem Erbe auch Ringkampf betreiben.
Was macht den Lebensweg von Werner Seelenbinder aus? Was kann man da als Jugendlicher mitnehmen?
Ich denke, man kann mitnehmen, dass Werner Seelenbinder nie aggressiv wurde, dass er immer ein guter Mensch war, der aber überzeugt war von einer Sache, also dass man sich seiner selbst klar sein muss. Das ist seine Rolle und für die stand er ein in seinem Leben.
Und natürlich auch, dass man gegen einen Widerstand auch guter Sportler sein und bleiben kann. Werner Seelenbinder wurde ja von den Nazis nicht besonders unterstützt, bekam nicht einmal einen Trainer vor dem Wettkampf. Er hat dann trotzdem mit seinen eigenen Arbeitskollegen zusammen auf der Matte trainiert und es trotzdem zur Bestform auf den Platz geschafft.
Er kommt aus einfachem zu Hause, ohne großen intellektuellen Hintergrund, aus einer einfachen Familie. Er war Spitzensportler, aber er hat immer gearbeitet.
Es war ja eine schwierige Zeit, sogar für ihn. In der Weltwirtschaftskrise hat er im Hotel gearbeitet, hat dann in einer Tischlerrei mitgearbeitet und hat es dann geschafft, auch einen Ausbildungsplatz zu bekommen.
Und er hat sein Leben auch dem Kampf gegen den Faschismus und für den Sozialismus gewidmet.
Ja, genau. Also er hatte ein Schlüsselerlebnis, dass er den Sozialismus in der damaligen UdSSR wirklich erlebt hat, als er zweimal auf Sportlerreisen in der Sowjetunion war. Da hat er erlebt, was Sozialismus bedeutet und was man machen kann: Die Rolle der Frau beispielsweise, die Rolle der Arbeiter, die es geschafft haben, mit den Räten in den Betrieben das Sagen zu haben und, ja, und auch eine bessere Lebenssituation hat er erlebt. Es war eine aufstrebende Gesellschaft, wo es immer besser wurde in ganz schnellen, kurzen Jahren.
Am Ende wurde er von den Hitlerfaschisten hingerichtet. Sie sagen, er hat aber trotz Folter nie jemanden verraten. Das war ja auch nicht selbstverständlich…
Er war seiner Sache wirklich treu und hatte einen guten Charakter. Er ist nicht verdorben worden. Er ist nicht zum Schläger geworden oder zum Aggressiven, der sonst was tut, sondern er hat es geschafft, durch seine listige, vernünftige Art illegales Material im Faschismus zu schmuggeln, oder er organisierte Schutz gegen die Faschisten. Also das sich die Kommunistische Partei oder Angehörige sich treffen konnten im Untergrund und so abgesichert waren, dass nicht Fremde dazu kamen. Außerdem hat er auch, im Geheimen, Flugblätter verteilt, Wohnungen als konspirative Unterkünfte organisiert und solche Dinge.
Welche Rolle spielte Werner Seelenbinder bei den Kindern und Jugendlichen in der DDR?
Werner Seelenbinder war bei Kindern und Jugendlichen dadurch bekannt, dass ganz viele Wettkämpfe oder Turniere nach ihm benannt waren. Und das Schöne ist, dass heute auch wieder immer mehr Turniere nach ihm benannt werden. Dieser Name steht für etwas und die Kinder und Jugendlichen fragen dann: Wer war das eigentlich? Und ja, das ist eine Ehre, wenn man eine Urkunde oder einen Pokal mit Bezug auf Werner Seelenbinder bekommt, als nur einfach Gold oder Bronze zu bekommen.
Sie haben 13 Mal in Ostdeutschland die Ausstellung schon organisieren, aber jetzt das erste Mal in Westdeutschland, wieso ist das in Westdeutschland so schwierig?
Das ist eine sehr gute Frage. Ich komme ja selber aus Westdeutschland, aus Hamburg. Ich war sieben Jahre Museumsdirektor in Hamburg und zehn Jahre Vorsitzender des Hamburger Museumsverbandes. Dass dieses Thema in Westdeutschland so wenig Anerkennung findet, das ist schon fragwürdig. Man könnte ja auch denken, die müsste es viel mehr interessieren, weil das was Neues ist. Nicht wie in der ehemaligen DDR, wo das schon alle kennen. Hier überwiegt anscheinend bei potentiellen Veranstaltern die Angst über die Neugierde.
Sie stellen aber auch verschiedene Mythen in Frage. Das halte ich auch für wichtig bei Kindern und Jugendlichen. Man muss ja jemanden als Mensch sehen, und wenn man ihn idealisiert, dann kann man selbst wenig lernen.
Das ist eine schwierige Frage. Man kann auch jemanden überfordern, indem man keine klare Antwort gibt und keine klare Antwort geben kann. Man muss auch klare Antworten geben. Aber man muss auch lernen, dass es auf gewisse Sachen keine klare Antwort gibt, weil die Faktenlage das einfach nicht hergibt.
Man kann Mythenbildung auch enttarnen. Also warum erzählt jemand das eine und vermutet das eine oder vermutet das andere? Es gibt auch üble Nachrede, so haben schon Leute gesagt, er sei ein Feigling, weil er kurz vor seinem Tod ein Gnadengesuch gestellt hat. Das ist aber falsch, wenn man das so darstellt. Meines Erachtens ringt jeder Mensch, der kurz vor dem Tode steht, natürlich um sein Leben. Das ist ja nichts Verwerfliches an sich. Er hat bis zum Schluss gehofft, dass die Rote Armee kommt und ihn befreit. Und ein Gnadengesuch ist ja auch eine Methode, um Zeit zu gewinnen.
Sie hatten selber auch mit Anfeindungen der AfD zu tun im Zusammenhang mit Ihren Ausstellungen. Aber Sie haben Zivilcourage gezeigt…
Man hat versucht mir Dinge zu unterstellen und dazu Sachen im Internet verbreitet, die falsch waren und auch meine Familie damit verletzt. Und ja, genau da musste ich auch Rückgrat zeigen.
Sie haben im Veranstaltungstitel auch auf das Stigma Seelebinders als „Staatsfeind“ verwiesen. Wie haben Sie das gemeint?
Heute bezeichnen viele Menschen und auch die Gesellschaft meist Kommunisten pauschal als Staatsfeinde. Hier wirkt, glaube ich, der Antikommunismus, der ganz gefährlich ist. Die gesellschaftliche Gefahr droht nicht von der linken Seite, sondern aus der faschistischen Seite.
Wurde Werner Seelenbinder nach dem verbrecherischen Todesurteil des Volksgerichtshof jemals in Westdeutschland rehabilitiert?
Werner Seelenbinder ist rehabilitiert insofern, als dass er sogar von unserem ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen wurde. Er wurde als Kommunist und als Widerstandskämpfer gewürdigt. Das ist für mich schon eine Rehabilitation. Seelenbinder ist eine der wenigen Persönlichkeiten, die in der DDR sehr geschätzt wurden ist und die nach der Wende teils mehr geschätzt wurden als vorher. Er war immer geradlinig und nie abgehoben.
Vielen Dank für das Gespräch!